GESCHICHTE DES ISLANDPFERDES IN DER SCHWEIZ     

 


Das Reiten war bis Mitte des letzten Jahrhunderts der Militärreiterei oder der elitären Leidenschaft der «oberen Zehntausend» und dazu noch mehrheitlich den männlichen Privilegierten, vorbehalten.

Um die, durch die alten Reitlehren der klassischen Rittmeister und später der Kavallerie Reitvorschriften H.Dv.12. geprägten Reitweisen Military, Springen und Dressur mitsamt dem Renn- und Jagdsport zu praktizieren und auch zu unterrichten benötigte es präzis formatierte Anweisungen, nämlich die «Alte, militärisch harte Schule» unserer Vorfahren.

 

Unbemerkt von der klassischen Reiterei betrat schon vor über 100 Jahren eine kleine Handvoll Pferdchen der isländischen Vulkaninsel den Schweizer Boden. In den 1930er Jahren gab es sogar einige dokumentierte Isländer Haltungen, wo sie zuerst als Kinderponys und schon bald auch als Kleinpferde für Erwachsene eingesetzt wurden.

Ursula Bruns, eine deutsche pferdebegeisterte Journalistin war die Autorin des Jugendromans «Dick und Dalli und die Ponys», der 1955 unglaublich erfolgreich verfilmt wurde.

 

Einige Dutzend Islandponys wurden für diese mehrreihigen «Immenhof Filme» von ihr, mit Hilfe des isländischen Zuchtberaters Gunnar Bjarnasson, in Island ausgesucht. Diese Entwicklung war für den visionären Isländer und Landsmót Initiator ein erfreulicher Vorstoss um seine bisher erfolglose Vermarktung des isländischen Pferdes im Ausland zu verwirklichen.

 

Durch die „Immenhof» Verfilmungen kamen urplötzlich völlig neue Werte des Reitsportes in die Pferdewelt. Inspiriert durch diese, in der Nachkriegszeit äusserst beliebten Ponyfilme, wirbelten alle vorgeschriebenen hippologischen Reit- und Haltungsregeln zugunsten von Natur- und Tierfreunden durcheinander und führten so zu neuen Haltungsformen und exotischen Reitweisen.

 

Obendrauf wurden 1957 unzählige Tierfreunde auf den Medien Slogan «Rettet Islands Fohlen vor dem Schlachtermesser» aufmerksam. Diese schreckliche Meldung verbreitete sich im deutschsprachigen Raum wie ein Lauffeuer. So reisten in den nächsten Jahren einige 100 Fohlen mit Frachtschiffen von Reykjavik nach Hamburg, wo sie von Tierschützern und pferdenärrischen Familien gerettet wurden. So nahm das Pferd als Familienmitglied und Freizeitpartner Einzug in die mitteleuropäischen Haushalte. Die Haltung in Eigenregie und das Reiten ohne klassische Vorkenntnisse funktionierte, mit einigen Ausnahmen, wirklich erstaunlich gut.

 

Der Siegeszug der Wikingerpferde beginnt

 

Als Pioniere neuer Haltungsformen mit Begriffen wie «Offenstall» und «Freizeitreiten», begann nun der steile Aufstieg der Islandpferde ausserhalb Islands.

Unglaublich, wer hätte damals gedacht, wieviel Einfluss dieses starke Auftreten der Freizeitreiter mit ihren kleinen struppigen Islandponys auf die heutige weltweite Pferdeszene ausüben würde.

 

Eve Barmettler



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CH ISLANDPFERDESZENE 60er



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CH ISLANDPFERDESZENE 60er



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CH ISLANDPFERDESZENE 70er 

 

 

EM72 2. Europameisterschaften der Islandpferde in CH St. Moritz

 

EM72 Teil 1: Mengia Isenbügel(-Maissen) CH und Marietta Maissen IS
Max Indermaur war ein erfolgreicher Unternehmer aus Einsiedeln und einer der wichtigsten Pioniere der Schweizer Islandpferdebewegung.
Unter anderem ermöglichte er durch seine finanzielle Unterstützung die Teilnahme der Schweizer Equipe an den ersten Europameisterschaften in Aegidienberg DE, und ebenso durch eigene Tatkraft, indem er selbst einen Teil der EM-Pferde transportierte. Ich hatte das Glück, mit ihm als Beifahrerin zurück in die Schweiz reisen zu dürfen. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte.

Auf der langen Fahrt gab es nach dieser ereignisreichen 1. EM in Aegiedienberg viel zu besprechen. Für Max war klar, dass die nächste EM in der Schweiz stattfinden werde.
Nur wo?


Zu dieser Zeit gab es in der Schweiz keinen geeigneten Turnierplatz. Das «Asphaltströssli» in Bennau war ja ausser Diskussion und Max fragte mich, ob mir denn nichts Geeignetes einfalle. Ja, klar! Die schön gelegene Polowiese am St.Moritzersee erschien mir perfekt. Mein damaliger Freund stammte aus St.Moritz, und daher hatte ich einige Male die dortigen Polospiele besucht und fand, dass sich das Gelände ebenso für Islandpferde hervorragend eignen könnte. Die Anlage war grossflächig und topfeben, und aus meiner Sicht ideal für Passrennen; bestimmt besser als die Passstrecke von Aegidienberg, die über einen Wiesenhügel führte. Auch das Klima würde den Pferden sicherlich behagen (der Schneefall bei der Preisverleihung war allerdings nicht geplant). Und die Unterbringung von Pferden und Menschen dürfte im Spätsommer kein Problem darstellen.
Ja, und da hat es gefunkt.


Bezüglich der abenteuerlichen Anfahrt durch die Schinschlucht und über den Julierpass verschwendeten Max und ich als Bergler keinen Gedanken.
Wie es dann schlussendlich dazu kam, dass erfahrene Geschäftsleute auf diese «uh verruckti Idee» aufsprangen und die EM in St. Moritz trotz aller Hindernisse verwirklichten, kann sich bis heute beim bestem Willen niemand mehr erklären.
Aber unvergesslich wird diese 1. Schweizer EM mit all den wilden, turbulenten und schönen Geschichten für uns immer bleiben.


Ja, und wer hat auch da einmal mehr vieles finanziert?
Ich denke, dass Max Indermaur grosser Dank gebührt; besonders, weil uns damals jungen Wilden die Wahrnehmung und Wertschätzung für seine Pioniertaten im Bereich des Islandpferdesportes oftmals fehlte.

 

Mengia und Marietta


 


 

EM72 Teil 2: Eve(line) Barmettler(-Meier)

Im exklusiven Schweizer Alpenkurort St. Moritz, auf 1900 m.ü.M., sollte nun die 2. Europameisterschaft der Islandpferde ausgetragen werden. Wenn mit jahrzehntelanger Tradition auf dem zugefrorenen St. Moritzersee internationale Pferderennen und Polospiele ausgetragen werden, kann auch eine Europameisterschaft der Isländer dort stattfinden. Punkt. Eine unglaublich herausfordernde Idee von Mengia . . . .

 

Max Indermaur und weitere Pioniere der Schweizer Islandpferdeszene gründeten den Verein AGF Arbeitsgruppe Freizeitpferd und dieser nahm von da an das EM72 Zepter in die Hand.

Parallel zum St. Moritzersee wurde, nach Feldmann’schem Vorbild, eine 200 Meter grosse Ovalbahn mit viel Aufwand und noch mehr Kosten aufgebaut.

 

Die Anfahrt der Pferde aus 6 verschiedenen Ländern, über den 2300 m.ü.M. liegenden Julierpass sollte kein Problem sein, zumindest nicht für die gebirgsgewohnten Schweizer und Österreicher. Die isländische Mannschaft suchte sich eine Landepiste in der Nähe von St. Moritz und wurden mit dem Flugplatz Samedan fündig. Kein Problem für isländische Piloten - dachten sie!!!

Viel Aufregung und zig Telefonate zwischen Keflavik IS und Samedan CH lösten das Landeproblem der isländischen Mannschaft. Über Zürich - Kloten könne das Frachtflugzeug der «Loftleiðir» landen, denn Samedan hätte eine viel zu kurze Landebahn.

Die nächste Herausforderung wartete in Kloten, keine Ausstiegsrampe für Tiere!! Nicht verzagen und Ernst Züblin, den Praktiker der Pioniere, fragen: Hubstapler, Europaletten, Spannset, Scheinwerferlicht . . . . So landeten die isländischen Equippenpferde «beschränkt sicher» auf Schweizer Boden.

 

Und weiter mit Züblin’schen LKW's mit Anhänger, auf mit Sägemehl bestreutem Waffelblech Boden, nach St. Moritz. Nein, nur bis Chur, denn über den Julierpass gibt es ein Anhängerverbot. Also Umladen von LKW Anhänger in die kurzfristig organisierten LKW's der Firma Wolf in Chur, und das alles in derselben Nacht . . . .

 

Eve

 


 

 

EM72 Teil 3: Eve(line) Barmettler(-Meier) und Barla Barandun(-Maissen)

 

Mit der heutigen WM25 in CH-Birmenstorf waren die ersten Islandpferde EM’s und auch noch anfänglichen WM’s überhaupt nicht zu vergleichen, es waren schon ganz andere Zeiten, halt eben Pionierzeiten . . . . . . .

Heute wissen wir, oder glauben zu wissen, was wir alles falsch gemacht haben, aber - wir wussten es einfach nicht besser.

Es gab damals auch noch keine Feldmann’sche «blaue Bibel», keine «Gangpferde Trainer», keine «Lern Videos» und keine «Internet Gait-Clinics» - Alles war «learning by doing».

 

Doch zurück zu 1972 in St. Moritz.

Auf der berühmten St. Moritzer Polowiese, entlang des idyllisch gelegenen Bergsees, inmitten der eindrücklichen Engadiner Bergwelt, stand nun stolz die Ovalbahn.

Entlang der langen Seite platzierten sich 5 «Schlittedas», originale traditionelle Engadiner Pferdeschlitten, als Richtersitzplätze. So hatten die Notengeber im frischen Maloyawind schon die ersten Herausforderungen zu meistern.

 

In aller Erinnerung blieb bestimmt Bruno Podlech’s SuperStjarni, dem bewegungsstarken isländischen Töltwunder, der mit hoher Nase und blitzschnellem Tölt über die Bahn fegte. Zu dieser Zeit, vor über 50 Jahren, wurde noch vermehrt dem alten isländischen Sitz gefrönt. Teilnehmer wie Walter Feldmann jun., die Gebrüder Wolfgang und Joachim Berg und unser Equipen Mitglied Heinrich Jud fielen in der damaligen Grosspferdewelt, mit ihrem eher klassischen Reitstil an den Tölt- und Mehrgangvorführungen, positiv auf. Präsentierten sie doch den zahlreichen Islandpferdefreunden und internationalen Kurort Feriengästen unseren, noch völlig unbekannten, Islandpferde Gangartensport.

 

Ungewohnt und äusserst rasant ging es im sogenannten Lateralrennen zu. Erlaubt war alles ausser Galopp. Volles Tempo Tölt oder Rennpass mit riskanter Kurventechnik Runde um Runde um die Ovalbahn, heute undenkbar . . .

 

Rennpassreiten war schon früh ein Schweizer Ding.

Der legendäre Vikingur liess mit seiner jungen Reiterin Barla Maissen schon 2 Jahre zuvor, an der ersten EM in Aegidienberg DE, seine Konkurrenten weit hinter sich. Der imposante Falbe war bis jetzt unschlagbar im Passrennen. Unser Bündner Dream-Team ritt natürlich im fliegenden Pass zur Goldmedaille . . . . .

 

Das Dressurviereck, eingezäunt mit Zentimeterhohem «Dressurgätterli», war dem wortgewandten Speaker Ewald Isenbügel schon von Anfang an, ein Dorn im Auge. Beim Einreiten eines Rappschecken warnte er die Zuschauer eindringlich, sie sollen doch bitte ein bis zwei Meter von der Bande zurücktreten, den der nächste Teilnehmer (gemeint waren mein Hassan und ich) werde entweder über das «Dressurhägli» in die Zuschauer springen oder die Goldmedaille holen. Ich wäre am liebsten ganzschnell in den Boden der Polowiese versunken, aber Goldmedaille war dann ja auch OK . . . . . .

Vielleicht verhalf mir das Reiten der Prüfung im ausgesessenen Trab, anstelle von Tölt, zum Sieg. Der internationale Dressurrichter war kein Geringerer als der Vater unserer Schweizer Olympiareiterin BvG Barbara von Grebel.

 

Die Geländestrecke der nationalen Grosspferde-Jugendkader-Militaryreiter war mit 15 eindrücklichen Naturhindernissen bestückt und forderte für uns Islandpferdereiter einiges an Erfahrung und Mut. Die sehr anspruchsvolle Piste führte mit engen Windungen, fast senkrechten Rutschpartien und halsbrecherischen Sprüngen im Steilhang durch den wunderschönen herbstlichen Engadiner Lärchenwald. Die gesamte Strecke wurde von Fachleuten wie Jean-Claude Dysli (mit Gibsbein), Jörg Auer, Walter Feldmann sen. und weiteren prominenten Streckenwärtern kontrolliert. 

Einige ehrgeizige Reiter kürzten, zwischen den gesteckten Fähnchen, die Rittlänge etwas ab und trotzdem ritt Barla mit ihrem sieggewohnten Vik, der einige Stunden vorher das Passrennen gewonnen hatte, diesen Parcours mit Bestzeit und fehlerfrei zum Sieg . . . . . . dritte Goldmedaille für die Schweiz! 

 

Eine ereignisreiche und richtungsführende Islandpferde-Europameisterschaft mit Siegerehrungen auf beinahe 2000 Meter Höhe endete erst beim Eindunkeln im frühherbstlichen Schneegestöber.

 

Eve und Barla

 

PS: Leider wurde dieser Anlass durch einen schweren Unfall auf der Heimfahrt der dänischen Mannschaft überschattet wo 2 Pferde und der Fahrer ihr Leben verloren.


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CH ISLANDPFERDESZENE 80er Jahre


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CH ISLANDPFERDESZENE 90er Jahre


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CH ISLANDPFERDESZENE 00er Jahre


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